53 % der Deutschen sind übergewichtig

Frau mit sichtbarem Übergewicht mißt ihre Taille

Trotz einer Flut von Wunderdiäten, Light- und Wellnessprodukten breitet sich Übergewicht und Adipositas immer weiter aus und ist inzwischen zur Zivilisationskrankheit Nr. 1 geworden.

Dabei ist das Thema nicht neu. Bereits seit den 1970er Jahren steigt die Übergewichts-Quote rasant an. Ein Trend, der mit der Industrialisierung der Lebensmittelproduktion und einem Wandel in der Arbeitswelt einhergeht.

Fast Food, Fertiggerichte und zucker- sowie fettreiche Snacks haben das Ernährungsverhalten nachhaltig verändert. Günstige und bequeme Nahrungsoptionen führen seitdem zu einer erhöhten Aufnahme kalorienreicher und gleichzeitig nährstoffarmer bis nährstofffreier Lebensmittel.

Wir werden immer dicker

Die Waage lügt nicht: Wir Deutschen werden seit Jahrzehnten immer dicker. Das Robert Koch-Institut liefert dazu alarmierende Daten: Während 1999 rund 56 Prozent der Männer und 40 Prozent der Frauen übergewichtig waren, haben sich die Verhältnisse weiter verschärft. Erhebungen aus dem Jahr 2019/2020 zeigen, dass sogar 60,5 Prozent der Männer (davon 19,1 Prozent adipös) und 46,6 Prozent der Frauen (davon 19,0 Prozent adipös) betroffen sind. Aktuell kämpft über die Hälfte der deutschen Bevölkerung mit Übergewicht. Das heißt, sie haben einen BMI-Wert ab 25. 

Unser Organismus kann die modernen Substanzen gar nicht verwerten

In unserer modernen Welt, in der Nahrung in vielen Gesellschaften reichlich und ständig verfügbar ist, hat diese evolutionäre Anpassung zu einem erhöhten Risiko für Übergewicht und damit verbundenen Gesundheitsprobleme geführt. In einer Zeit, in der Lebensmittel-knappheit selten ist, kann die einst überlebenswichtige Fähigkeit zur Fetteinlagerung zu einer Belastung für unsere Gesundheit werden.

Aber genauer betrachtet liegt das Hauptproblem der Gewichtszunahme nicht nur in unserer Genetik, sondern auch in der Zusammensetzung unserer Lebensmittel. Den meisten der verarbeitenden Produkten, wurden Substanzen hinzugefügt, mit denen unser Organismus nichts anfangen kann.

Doch was passiert, wenn unser Körper, ein Meisterwerk der Anpassungsfähigkeit, auf Lebensmittel trifft, die reich an chemischen Zusätzen, künstlichen Farbstoffen und Geschmacksverstärkern sind? Er versteht sie nicht, erkennt sie nicht als die Nahrung, für die er geschaffen wurde. Die Leber, ein unermüdlicher Arbeiter, versucht, diese fremden Substanzen abzubauen, während der Stoffwechsel verwirrt ist durch den hohen Gehalt an Zucker und Fett, die in natürlicher Nahrung so nie zusammen vorkommen würden.

Diese konstante Überforderung kann zu chronischen Entzündungen führen, da der Körper die ständige Anwesenheit unbekannter Substanzen als Bedrohung wahrnimmt. Diese Entzündungen können das Risiko für Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und sogar Krebs erhöhen.

Unser Darm, das Zentrum unserer Immunabwehr, wird überrumpelt von Zusatzstoffen und künstlichen Süßstoffen, die das empfindliche Gleichgewicht unserer Darmflora stören. Dies kann wiederum unser Immunsystem schwächen und uns anfälliger für weitere Krankheiten machen.

Unsere Gesellschaft konsumiert nicht einfach aus einer vermeintlichen Willensschwäche heraus zu viel Süßes, Fettiges und Co. Wir sind Opfer einer globalen Lebensmittelindustrie, die bewusst ungesunde, sogenannte ultraverarbeitete Produkte herstellt – Produkte, die mit echten Nahrungsmitteln kaum noch was gemeinsam haben.

Lebensmitteltechniker entwickeln gezielt Rezepturen, die Fett, Zucker und Salz in einem raffinierten Verhältnis kombinieren. Dadurch werden die Belohnungszentren im Gehirn überstimuliert, was wiederum zu einem suchtähnlichen Verlangen nach dieser künstlichen Industrie-nahrung führt – einem Verlangen, dem zu widerstehen außerordentlich schwerfällt, weil sie das Sättigungsgefühl beeinflussen und zum »mehr essen« motivieren.

Abgesehen davon mangelt es diesen industriellen Produkten absichtlich an wertvollen Inhaltsstoffen natürlicher Nahrung, wie zum Beispiel Ballaststoffen, Vitaminen und Mineralien. Diese würden normalerweise ein natürliches Sättigungsgefühl erzeugen und als biologische Appetitzügler wirken. Doch dieser Effekt ist logischerweise von der Industrie nicht gewünscht.

Junk Food kann süchtig machen

Denn tatsächlich kann Junk Food eine Sucht erzeugen, ähnlich wie Drogen. Forschungen, darunter eine Studie des Scripps Research Institute. Die, die bereits 2010 erschien, belegen dies. Inhaltsstoffe wie hochkonzentrierter Fruktosesirup, Mononatriumglutamat, hydrierte Öle und raffiniertes Salz in verarbeitenden Lebensmitteln können ähnliche Effekte auf das Gehirn haben wie Kokain. Drogen lösen im Gehirn die Freisetzung von Dopamin, dem Glückshormon, aus. 

Wissenschaftliche Studien haben bestätigt, dass bei Drogenabhängigen und Personen, die süchtig nach Junk Food sind, ähnliche Prozesse im Gehirn ablaufen. Beide Formen der Abhängigkeit involvieren das Belohnungssystem des Gehirns, insbesondere die Freisetzung des Neurotransmitters Dopamin. Die konstante Stimulation dieses Belohnungssystems, sei es durch Drogenkonsum oder den übermäßigen Verzehr von hochkalorischer Nahrung, führt zu einer verminderten Empfindlichkeit der Dopaminrezeptoren. Dieser Prozess bewirkt eine Toleranzentwicklung. Immer höhere Mengen an Stimulanzien werden benötigt, um das gleiche Gefühl der Zufriedenheit oder des Glücks zu erreichen. 

Tiefkühl-Pizza, Aufback-Croissants oder Schokopudding aus dem Kühlregal: Ach, wie verführerisch und bequem sie sind, unsere geliebten Fertigprodukte! Über 80 Prozent unserer Ernährung bestehen mittlerweile aus diesen stark verarbeiteten Lebensmitteln. 

Aber hey, sie sind praktisch und schmecken! Wer kümmert sich da um Kalorien, Salz, Zucker und Fett? Wahrscheinlich denken wir gar nicht darüber nach, dass Fertiggerichte, Würste, Chips und Co. hochverarbeitet sind. Auf der Packung steht ja schließlich nichts davon. Dann kann es so schlecht ja nicht sein, oder?

Herzlich willkommen in unserer adipogenen Welt, wo überall kalorienreiche Leckereien lauern, die es uns fast unmöglich machen, gesunde Entscheidungen zu treffen. Unsere Erfrischungsgetränke? Gesüßt bis zum Gehtnichtmehr. Die Inhaltsstoffe verarbeiteter Lebensmittel? Ein Rätsel für jeden Durchschnittsbürger, der keinen Abschluss in Lebensmittelchemie hat. 

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